
ECAAS
Selbstverwaltete Wasser- und Kanalisationswerke in Kolumbien
Eine Wasser-/Abwasser-Kooperative in Kolumbien, die für die gute Qualität ihres günstigen Wassers bekannt ist und unter sehr schwierigen politischen Rahmenbedingungen wirtschaftet.
Selbstverwaltete Wasser- und Kanalisationswerke in Kolumbien
Selbstorganisierte Wasserversorgung
Die Geschichte von ECAAS (Empresa Comunitaria de Acueducto y Alcantarillado de Saravena) begann in den 1970ern. Im Zuge einer Landreform, die den Familienbesitz auf 50 Hektar begrenzte, siedelten sich KleinbäuerInnen im heutigen Saravena, an der Grenze zu Venezuela an. Die Wirtschaft der Region basierte auf regionaler Selbstversorgung. Der Staat überließ die SiedlerInnen weitgehend sich selbst. Um ihre junge Stadt mit Wasser zu versorgen, bauten die BewohnerInnen gemeinsam ein Aquädukt zum südlich gelegenen Fluss Rio Sataca sowie ein Kanalisationssystem.
In den Ländern des Südens ist die Privatisierung der Daseinsvorsorge weitgehend gescheitert, nicht zuletzt am Widerstand von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft. Das hat Spielräume für Alternativen geöffnet. Je nach Stadtgröße und gesellschaftlich-politischem Umfeld sind unterschiedliche Formen einer Demokratisierung denkbar. Beispiele wie der „Bürgerhaushalt“ in Porto Alegre oder die Wasserkooperativen in Argentinien zeigen, dass durch die Beteiligung der NutzerInnen eine kaufkraftunabhängige Grundversorgung für alle gesichert werden kann.
Ein lokal-demokratisch kontrollierter Betrieb
Aus dem Selbsthilfeprojekt entstand ein wohl zumindest in Kolumbien einzigartiger Betrieb. ECAAS ist heute in der 40.000 Einwohnerstadt Saravena nicht nur für Wasserund Abwasser, sondern auch für die Müllentsorgung zuständig. Der Betrieb gehört weder dem Staat noch einem Privatunternehmer, sondern wird von der Bevölkerung demokratisch geführt. Die Juntas de Acción Comunal, die basisdemokratischen Nachbarschaftskomitees Saravenas, entsenden jeweils zwei VertreterInnen in den Aufsichtsrat, der den Geschäftsbetrieb kontrolliert und die Preise autorisiert. Auf diese Weise entscheidet die Bevölkerung auch über die Verwendung möglicher Überschüsse.
Hohe Qualität und soziales Engagement
Das von ECAAS aufbereitete Trinkwasser gilt als qualitativ hochwertig, die Preise sind niedrig und trotzdem arbeitet das Unternehmen wirtschaftlich. Für arme KundInnen gibt es verschiedene Sozialtarife. Ein Teil der Gewinne fließt in einen Solidarfonds mit dem Medikamente für 15 bis 20 Bedürftige pro Monat finanziert werden. Darüber hinaus stellt ECAAS seine Fahrzeuge und Tankwagen sozialen Basisgruppen zur Verfügung.
Arbeit fairteilen

Mit über 50 MitarbeiterInnen ist ECAAS einer der wichtigsten Arbeitgeber Saravenas. Damit möglichst viele BewohnerInnen von den Arbeitsplätzen in ihrem gemeinsamen Betrieb profitieren, wird die gesamte Belegschaft – mit Ausnahme einiger SpezialistInnen, aber einschließlich Präsident/in und Schatzmeister/in – alle zwei Jahre ausgetauscht. Durch dieses Rotationsprinizip soll zudem die Grenze zwischen KonsumentInnen und DienstleisterInnen durchlässiger werden.
Auch hierzulande gibt es vielerorts Bestrebungen, die Wasserversorgung zu privatisieren. Die BürgerInnen sind meist dagegen. Sie fürchten Kostensteigerungen und Qualitätsverluste durch rein renditeorientierte Investoren und verweisen auf die negativen Erfahrungen in Berlin und Kiel. Vor allem in kleinen Orten kann die Gründung privater Genossenschaften eine Alternative sein. So haben auch die BürgerInnen von Schönstadt ihre Wasserversorgung in die eigenen Hände genommen.
Unter Druck von Staat und FARC-Guerilla
Der Erfolg von ECAAS und weiterer Kooperativen im Departement Arauca ist Privatinvestoren und Regierung ein Dorn im Auge, da er die neoliberale Privatisierungspolitik grundsätzlich in Frage stellt. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt 2002 nahm Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe Vélez die Kooperativen als „Vorfeldorganisationen des Terrorismus“ ins Visier. Mehrere ECAAS-MitarbeiterInnen wurden seitdem von der Nationalpolizei verhaftet, weitere von Paramilitärs erschossen. Die regionale Menschenrechtsorganisation Joel Sierra wirft der staatlichen Armee Zusammenarbeit mit den Paramilitärs vor. Auch von Seiten der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, der FARC, fühlen sich die ECAAS-MitarbeiterInnen bedroht. Wiederholt hat die Guerilla dem Betrieb Fahrzeuge gestohlen und befreundete Mitglieder sozialer Basisgruppen verschwinden lassen oder zwangsrekrutiert.
weiterführende Informationen:
Radioreportage über ECAAS und andere Kooperativen in Arauca, Kolumbien von Raul Zelik