Unterstützungsstrukturen in Brasilien
Ohne förderliche Rahmenbedingen haben Projekte Solidarischer Ökonomie einen schweren Stand. Brasilien ist eines der wenigen Länder, in denen es der Bewegung für Solidarische Ökonomie gelang günstige Rahmenbedingungen für die solidarökonomischen Projekte durchzusetzen. Einen enormen Aufschwung bekam die Solidarische Ökonomie durch die Wirtschaftskrise von 1981-1983. Hierfür waren vor allem die Aktivitäten der zivilgesellschaftlichen Organisationen (NGOs) verantwortlich, die von Kirchen, universitären Projekten und sozialen Bewegungen in Stadt und Land ausgingen.
Gemeinschaftsbetriebe entstehen
In der Zeit nach der Militärdiktatur waren für die Solidarische Ökonomie Brasiliens vor allem die Betriebsübernahmen prägend. ArbeiterInnen wollten ‚ihren’ in Konkurs geratenen Betrieb und ihre Arbeitsplätze sichern. 1996 setze sich auch die Gewerkschaftszentrale CUT, durch die Gründung einer eigenen Agentur für Solidarische Entwicklung (Agencia de Desenvolvimento Solidário) für solche Initiativen ein. Für die Gründung neuer Gemeinschaftsbetriebe ist heute vor allem die ANTEAG (Verband der ArbeiterInnen in selbstverwalteten Betrieben) zuständig.
Sie bietet den Betroffenen umfassende wirtschaftliche, juristische und psychologische Beratung. Sie wird unter anderem von brasilianischen Bundesstaaten angestellt, um solidarische Betriebe zu gründen. In Italien sind durch Belegschaftsübernahmen, unterstützt durch das Marcora-Gesetz, schon über 6000 Arbeitsplätze in über 160 Betrieben erhalten oder neu geschaffen worden.
"(…) Senaes will die Solidarische Ökonomie zu einem wichtigen Instrument des Kampfes gegen die Armut machen. De facto funktioniert sie bereits in diesem Sinne. (…) Die Kartierung der Solidarischen Ökonomie Brasiliens lokalisierte etwa 15 000 solidarische Betriebe, von denen 55% Vereine sind, 27% informelle Gruppen und nur 14% Genossenschaften. In ihnen arbeiten etwa anderthalb Millionen Personen."
FBES – Brasilianisches Forum der Solidarischen Ökonomie
Im Juni 2003 wurde das ‚Brasilianische Forum der Solidarischen Ökonomie’ geschaffen. Es repräsentiert die Bewegung für Solidarische Ökonomie Brasiliens gegenüber öffentlichen Institutionen und internationale Netzwerken und organisiert Diskussionen, Strategieentwicklungen und die Mobilisierung der Solidarischen Ökonomie auf nationaler Ebene. Heute gibt es neben dem nationalen Forum 27 bundesstaatliche Foren mit Tausenden von TeilnehmerInnen.
Aktivitäten in ländlichen Gebieten
Ein anderer wichtiger Akteur ist die Landlosenbewegung (MST – Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra). Auf vielen Landbesetzungen versuchte der MST, die Produktion von Lebensmitteln durch Zusammenschlüsse zu organisieren, aus denen später alternative ländliche Produktionsgenossenschaften hervorgingen. Daneben ist gerade in ländlichen Gebieten der progressive Flügel der Katholischen Kirche, die Caritas, sehr engagiert. Exemplarisch zu nennen sind gemeinschaftliche Geschäfte (Bodegas) und Märkte, auf denen kunsthandwerkliche Produkte und Lebensmittel angeboten werden. Durch die gemeinsamen Anstrengungen der einzelnen Akteure existieren heute mehr als 21.850 Gemeinschaftsbetriebe in Brasilien.
SENAES – Das brasilianische Staatssekretariat für Solidarische Ökonomie
Einen großen Sprung hin machte die Bewegung im Jahr 2003. Auf Initiative der Arbeitsgruppe Solidarische Ökonomie des 1. Weltsozialforums im Jahre 2001, der brasilianischen Arbeiterbewegung und mittels der Unterstützung des Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva wurde am 26.06.2003 das Nationale Sekretariat für Solidarische Ökonomie (SENAES) eingerichtet. Ziel ist eine Stärkung und Verbreitung der Solidarischen Ökonomie über integrierte politische Maßnahmen mit Blick auf die Schaffung von Arbeit und Einkommen, soziale Integration und Förderung gerechter und solidarischer Entwicklung.