Kritischer Konsum in Italien
Solidarische Ökonomie auf der Degrowth-Konferenz 2014
Kritischer Konsum in Italien
Solidarische Einkaufsgruppen (GAS) sind Gruppen von ca. 50 Familien in Italiens Städten, die direkt von Biobauern der Region einkaufen, um gesunde Nahrungsmittel zu einem fairen Preis zu bekommen, der die Existenz von Kleinbauern garantiert und ihnen ermöglicht, ihre Mitarbeiter fair zu entlohnen. Diese Bewegung begann 1994, weitete sich von Ober- und Mittelitalien aus und erreichte neuerdings auch Süditalien, wo sie sich mit der Antimafia-Bewegung der Zivilgesellschaft verzahnt und sie verstärkt. Konsumenten in Palermo unterstützen Ladenbesitzer und Kleinunternehmer, die sich weigern, Schutzgeld an die Mafia zu zahlen und es öffentlich erklären. Von den Anfängen im Jahre 2004 bis heute sind rund 600 Ladenbesitzer und 10.000 Konsumenten der „addiopizzo“ (Schutzgeld adé) Bewegung allein in Palermo beigetreten.
Gleichzeitig werden Ländereien, die von Mafia-Bossen beschlagnahmt wurden, Sozialgenossenschaften kostenlos zur Nutzung überlassen und werden in Biolandwirtschaftsbetriebe verwandelt. Ihre Produkte mit dem Logo von „Libera Terra“, sowie die Produkte mit dem Logo „addiopizzo“ werden von den GAS, von Weltläden und von der großen Supermarketkette Coop Italien gekauft bzw. vertrieben. Das sichert die Existenz von Biobauern und Kleinunternehmern, die sich gegen den Griff der organisierten Kriminalität auf die große Vertriebsmachinerie stemmen. (Francesca Forno: “La spesa a pizzo zero”)
Viele andere Initiativen, die der Journalist Daniel Tarozzi auf seiner Reise durch Italien entdeckt und worüber er in seinem Buch „Io faccio così“ (Ich mache es so) berichtet hat, zeugen von einem neuen Bewusstsein hin zu nachhaltigen Lebensstilen, das sich im heutigen Italien bahn bricht.
Kritischer Konsum, der in dieser Form 1994 von Francuccio Gesualdi in Italien ins Leben gerufen wurde, bedeutet, dass der Einzelne Verantwortung für sein Tun übernimmt, auch und vor allem für sein Kaufverhalten. Nach dieser Auffassung sind Konsumenten Co-Produzenten, weil die Produzenten ohne sie nicht so agieren könnten wie sie es tun. Die Konsumenten erlauben den Produzenten zu handeln, wie sie handeln – oder sie leisten Widerstand und ändern ihr Kaufverhalten und ihren Lebensstil hin zu mehr Verantwortung dem Umwelt, den Mitmenschen und den zukünftigen Generationen gegenüber. Eine relativ kleine Verhaltensveränderung von Einzelnen birgt in sich ein großes Veränderungspotential, wenn sie zu einer sozialen Bewegung wird, wofür das Internet heute die Voraussetzungen liefert
(siehe www.socioeco.org, www.comune-info.net, www.italiachecambia.org)
Giuliana Giorgi