Community Gardening / Gemeinschaftsgärten
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Gemeinschaftsgärten sind eine (gemeinschaftliche) Form des Urban Gardening (= Urbanes Gärtnern, also Bepflanzung im städtischen Raum).
Die Begriffe Bürger- oder Nachbarschaftsgärten werden teilweise auch verwendet, allerdings finden sich unter diesem Namen häufiger staatlich geförderte Projekte, bzw. als Bürgergärten bezeichnen sich auch manche Lokale oder Gaststätten.
Idee
Die Idee der Gemeinschaftsgärten ist es, auf öffentlichen Flächen zum Zweck der Selbstversorgung gemeinsam Nutzpflanzen anzubauen, nach eigenen Vorstellungen mit Zierpflanzen den Nahraum zu gestalten oder in Form von Grünflächen Freiraum für Erholung in der Stadt zu schaffen – je nach Bedürfnis der InitiatorInnen. Dabei geht es um die Verbesserung der Ernährungssituation städtischer BewohnerInnen und/ oder darum, ein politisches Statement gegen unliebsame oder mangelnde Stadtplanung und Kapitalisierung der Versorgung zu setzen.
Abgrenzung
Weitere Formen des Urban Gardening sind:urban agriculture (Wiki dt. / Wiki engl.) bzw. urban horticulture (Wiki dt. / Wiki engl.) Spektakulärer, da meist unerlaubt und/oder spontan sind guerilla gardening, pirate gardening bzw. Wildgärtnern, ebenfalls als Formen des Urban Gardening. Hier werden seltener Nutzpflanzen angebaut, sondern eher Blumen gesät, um trostlose Bürgersteige oder Verkehrsinseln zu begrünen. Das Gemeinschaftliche spielt hier eher keine Rolle. Genau wie bei Kleingärten oder Schrebergärten, die außerdem oft am Stadtrand und nicht direkt in der Stadt zu finden sind.
Arbeitsweise
Industrielle und öffentliche Brachflächen werden durch Community Gardening zur Bepflanzung genutzt und selbst wo der Boden versiegelt oder kontaminiert ist, können durch „vertikalen“ Anbau Lebensmittel zum Verzehr heranwachsen.
Dabei sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt:
Ob Kartoffeln in einem Autoreifenstapel
oder Kräuter an „lebenden Wänden“
Das Gärtnern in der Stadt geht aber über den praktischen Nutzen hinaus, indem es Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringt und ihnen ermöglicht, aktiv und selbstbestimmt ihre Umwelt zu gestalten und dabei zur Stadtentwicklung und gesellschaftlichen Integration beizutragen. Für Arbeitslose bietet das Bewirtschaften eine Möglichkeit zurück in die Gesellschaft durch selbstbestimmte Arbeit. Vereinzelt wurden auch schon StadtplanerInnen auf die Gemeinschaftsgärten aufmerksam und es kam zu städtischer Unterstützung durch die Bereitstellung von Saatgut und Gartengeräten.
Eine spezielle Form von Gemeinschaftsgärten sind die Interkulturellen oder Internationalen Gärten, die überwiegend von MigrantInnen getragen werden. Sie entstehen eher aus dem Bedürfnis, sich in der „Fremde“ neu verwurzeln zu wollen, etwas Sinnvolles tun zu wollen, nachdem viele in Deutschland nicht arbeiten dürfen oder keine Arbeit haben. Und es geht darum, einen Ort zum Gärtnern zu haben, zumal heimatliche Früchte und Gemüse oft schwer oder nur teuer zu bekommen sind. Natürlich geht es auch hier um die Versorgung mit günstigen und gesunden Lebensmitteln und die Gestaltung der städtischen Umgebung. Nicht zuletzt bildet sich durch die gemeinsame Gartenarbeit eine interkulturelle Gemeinschaft, die auch mal zusammen kocht und feiert, sich austauscht und unterstützt.
Den ersten internationalen Garten gründeten MigrantInnen 1996 in Göttingen. Dort gibt es inzwischen fünf solcher Gärten, in denen Familien aus fast 20 Ländern und unterschiedlichsten Religionen zusammenarbeiten.
Mögliche Probleme/Konfliktpotential
Die Annahme, dass Stadtentwicklung und Bepflanzung sich gegenseitig behindern/ausschließen, lässt dich meist entkräften. Es finden sich immer freie Stellen. Und die Befürchtung, dass öffentliche Anbauflächen der Allmendeproblematik anheimfallen würden, widerspricht, dass die meisten Projekte durch zivilgesellschaftliche Organisationen getragen werden, innerhalb derer gemeinsame Nutzungsregeln entwickelt werden.
Es gibt aber andere mögliche Hindernisse, wie eine ungeklärte Eigentumssituation, denn die lässt keine langfristige Planung zu, Regen- oder sonstiges Wasser was zum Bewässern genutzt wird kann kontaminiert sein, ebenso der Boden was Gesundheitsrisiken für die Konsumenten birgt. Hinzu kommt, dass speziell der Anbau an Straßen zwar die Verteilung erleichtert, aber die Pflanzen natürlich den Autoabgasen aussetzt. Außerdem gibt es immer wieder den Hinweis, dass kleine Mengen von Anbauprodukten sich nicht effizient bewirtschaften lassen.
Hintergrund
Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in der Stadt und bis 2015 werden voraussichtlich 26 Städte eine Einwohnerzahl von 10 Mio und mehr haben. Eine davon benötigt umgerechnet etwa 6000 t Essen am Tag. Dies erfordert weite und damit unökologische und unökonomische Transportwege. Gleichzeitig müssen Wenigverdiener in der Stadt etwa 40-60% ihres Einkommens für Lebensmittel aufbringen. Die Vereinzelung in den Städten (Singlewohnungen) nimmt insbesondere in Industrieländern zu.
Verbreitung
800 Mio Menschen sind weltweit Teil von Projekten der städtischen Bepflanzung und unterstützen damit die urbane Lebensmittelversorgung. Allerdings bleibt bis auf Ausnahmen diese Pflanzbewegung weitgehend unbekannt. In Deutschland lässt sich die Verbreitung von Nachbarschaftsgärten schlecht beziffern. In Großstädten wie Berlin ist gerade das Guerilla Gardening sehr häufig, aber da es sich um subversive Aktionen handelt, gibt es auch hierüber keine genauen Daten. Die oft öffentlich geförderten Interkulturellen Gärten sind leichter zu verfolgen. In Berlin gibt es bereits zwanzig und weitere sind im Aufbau. Deutschlandweit gibt es inzwischen über 100 interkulturelle Gärten mit der Stiftung Interkultur als Dachverband.
Aktueller Trend
Guerilla Gardening scheint inzwischen auch in der Mitte der Gesellschaft anzukommen, verliert dabei aber weitgehend seinen gesellschaftskritischen Anspruch. Man kann die sog. seed-bombs inzwischen im Internet bestellen. Für alle, die sie lieber selber machen: A guide to seed bombs
Links
* Gemeinschaftsgarten auf Wikipedia
*Gründämmerung: Vier neue Kurzfilme von George Eich zeigen eindrucksvoll die unterschiedlichen Dimensionen urbanen Gärtnerns, seine Lebendigkeit sowie seine sozialen und kulturellen „Nebenprodukte“.
produziert von anstiftung & ertomis
DVD kostenlos bestellen oder bei youtube:
*Nomadisch grün: Der Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg
*Den Kindern die Natur näher bringen
*Gartenbewegungen in Berlin
*Am Anfang war der Nachbarschaftgarten
Beispiele
*Urban Gardening – Prinzessinnengarten Berlin
*Vorstellung des Bürgergartens Laskerwiese ; Blog
*Der »Bürgergarten« – das Gärtnern kann beginnen im Vicelin-Viertel in Neumünster
*Bürgergarten: „Blühende Landschaften“ – von unten. Eine Chemnitzer Erfolgsgeschichte
*Vorstellung des Nachbarschaftsgarten am Mariannenplatz: „Ton, Steine, Gärten“ ; Blog
*Die Initiative Urban Gardening Berlin
*Multikultureller NachbarschaftsGarten Neukölln e.V.
*Nachbarschaftsgarten Grüne Weiten Berlin
*Ein Nachbarschaftsgarten in Berlin Friedrichshain Garten Rosa Rose
*Interkultureller Garten – Mitte Museum am Gesundbrunnen
Berichte
*Interkulturelle Gärten: Wurzeln schlagen von Birgit Leiß in: MieterMagazin, ersch. 01.09.2005, Ausgabe 9/05, Seite 20-21
*Das ABC des guerilla gardenings: Menschen, die Land kultivieren, dass ihnen nicht gehört –verwilderte, verlassene Grundstücke genauso wie Verkehrsinseln und „zugemüllte“ Parkstreifen
*Serie urbaner Grünobjekte. Warum die Aktion ‚Serie urbaner Grünobjekte‘ im Berliner Mauerpark? Anwohner pflanzen Bäume am Falkplatz.
* Laura Nosetti Interkulturelle Gärten
Vernetzung
*Forschungsnetzwerk Interkulturelle Gärten bei der Stiftung Interkultur
*Eine andere Welt ist pflanzbar. Gemeinschaftsgärten weltweit
*Gartenpolylog -virtuelles österreichisches Gemeinschaftsgarten-Netzwerk
*COMMUNITY GARDENS & GUERILLA GARDENING in Potsdam/Berlin auf Facebook
Sonstiges
*Parkgenossenschaft Gleisdreieck – Die sich im Aufbau befindliche Genossenschaft trifft sich um sich mit der Umwandlung des Gleisdreiecks in einen öffentlichen Park zu befassen.
*Workstation- Ideenwerkstatt Berlin e.V. – Die Initiative fördert Urban Gardening und interkulturelle Gärten. Die Internettplattform urbanacker.net ist ein Projekt der Ideenwerkstatt.
*Bezirksverband der Kleingärtner Steglitz e.V. Eine Brachfläche wird zur (ökologisch orientierten) Kleingartenkolonie.
*Landesverband Kinderbauernhöfe und Abenteuerspielplätze in Berlin (AKIB) beim Verband für sozial-kulturelle Arbeit. Viele Kinderbauernhöfe bieten zahlreiche Möglichkeiten, auf dem Gelände (Nutz-) Pflanzen anzubauen und zu Pflegen.
*Grüne Liga Berlin e.V. – Die Grüne Liga Berlin berät beim Begrünen trister Hinterhöfe und gibt Tipps zu Fördermöglichkeiten.
*Samariterviertel: Die Homepage informiert unter anderem über die gärtnerische Zwischennutzung von Brachflächen im Sanierungsgebiet, an der sich grundsätzlich jedermann beteiligen kann.
*Stadtacker: Diese Seite stellt Informationen und Hilfe zur urbaner Landwirtschaft auf Hinterhöfen, Dächern, Brachen, an Hauswänden oder in Blumenkästen bereit.
Literatur
*Elisabeth Meyer-Renschhausen: In den Schluchten New Yorks
„Unter dem Müll der Acker – Community Gardens in New York City“, Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus, 2004
*Christa Müller: Die Gärten Göttingens – Zum Nachmachen
„Wurzeln schlagen in der Fremde – Die Internationalen Gärten und ihre Bedeutung für Integrationsprozesse“, Ökom Verlag, München, 2002
*Ursula Taborsky: Eigenmacht, Eigensinn und Partizipation
„Naturzugang als Teil des Guten Lebens – Die Bedeutung interkultureller Gärten in der Gegenwart“, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, 2008