Neue Dorfläden (auch: Nachbarschafts- oder Bürgerläden; Tante Emma-Laden)
Idee/ Arbeitsweise/Grundprinzipien
„Ein Laden von uns für uns.“ – Gemeinschaftlich betriebene Nachbarschafts- oder Dorfläden erhöhen die Lebensqualität kleinerer Gemeinden und Dörfer indem sie die Nahversorgung sicherstellen, oft mit regionalen Produkten [s.a. Regionale Vermarktung].
Die neugegründeten Dorfläden entsprechen mit ihrem begrenzten Sortiment etwa dem Gemischtwarenladen aus den 50er Jahren. Dabei wird kostendeckend statt gewinnmaximierend gearbeitet und ohne die Initiative und das Engagement der DorfbewohnerInnen geht es nicht. Oft sind die Dörfer selbst die Eigentümer bzw. eine von ihnen gegründete Genossenschaft, die mit ihrem Pro-Kopf-Stimmrecht am besten die Interessen einer Vielzahl von beteiligten Personen widerspiegelt. Beliebt ist auch die sog. Mini-GmbH (Unternehmergesellschaft (UG)“) [vgl. verschiedene Rechtsformen], die allerdings die formale Mitbestimmung und Mitgestaltung einer Gruppe erschwert, da Ein- und Austritte teuer sind (Notargebühren) und Stille Gesellschafter keine Mitsprache haben. Neben der Nahversorgung, die besonders weniger mobilen EinwohnerInnen wie Kindern/Jugendlichen und der zunehmenden Zahl von älteren Menschen entgegenkommt, schafft der Dorfladen oft Arbeit –zumindest Teilarbeitsplätze. Und wenn, was oft vorkommt, zusätzlich ein kleines Cafe da ist, wird der Dorfladen zum neuen kommunikativen Zentrum des Dorfes.
–>Wikipedia zu Dorfläden
Hintergrund
Die Dichte von Lebensmittelläden hat in den letzten Jahren dramatisch ab-genommen. Die Anzahl der Verkaufsstellen hat sich von ca. 150.000 in den 60er Jahren auf ca. 55.000 in 2008 reduziert (Quelle). Dies wirkt sich negativ auf die Nahversorgung der Bevölkerung insbesondere ländlicher Regionen aus. Zudem wachsen die CO2-Emissionen: Die Kilometerzahl für Einkaufsfahrten verdoppelte sich von 1982 bis 2002 auf 444 Mio. km pro Tag. (Quelle: IÖW, Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung).
–>Wikipedia zur Nahversorgung
Verbreitung
Laut dem Unternehmensberater Wolfgang Gröll, der selbst etwa 100 Projekte begleitet hat, gibt es bundesweit bis zu 250 Dorfläden und jährlich kämen etwa 20 dazu. In Süddeutschland sind die Bedingungen günstiger, weil sich dort kleinteilige Strukturen noch besser erhalten haben als im Norden oder im Osten des Landes
Aktueller Trend
Eine Studie aus dem Jahr 2007 (McKinsey) konstatiert einen neuen Trend zurück zu modernen Tante Emma-Läden. Selbst große Supermarktketten ziehen es in Erwägung kleinere sog. Convenience Läden zu eröffnen allerdings wiederum nur im lukrativen Großstadtraum. Im ländlichen Raum sind Ortschaften mit weniger als 5000 EinwohnerInnen nicht rentabel genug für Großprojekte.
–>Auszug aus der McKinsey – Studie „Tante Emma reloaded: Persönlich, nah, bequem – so wünschen es sich die Verbraucher“:
„Immer mehr Deutsche wünschen sich beim Lebensmitteleinkauf – mehr noch als günstige Preise – vor allem Convenience: Nah, bequem und einfach soll es sein. Entsprechende Handelsformate können ein zusätzliches Umsatzpotenzial von bis zu 20 Milliarden Euro erschließen. Wichtigster Faktor bei der Wahl der Einkaufsstätte ist heute Convenience. Auf Platz zwei der Prioritätenliste rangiert das Einkaufserlebnis, erst danach folgt der Preis.“
Beispiele
*Dorfläden in Deutschland (Karte)
*Chiemgau: Bürger werben für eigenen Dorfladen
*Bericht über den Schlossmarkt, erschienen in der Zeitschrift „Profil“ vom Genossenschaftverband Bayern, Ausgabe: 9. 2009. Die Re-Regionalisierer – Windacher Bürger nehmen mit einer Genossenschaft die Nahversorgung im Ort selbst in die Hand
*Linksammlung zum Thema Dorfläden
*Scheitern eines Nachbarschaftsladens!
Nahversorgung zwischen Wunsch und Wirklichkeit – Diskurs am Beispiel Hennersdorf
von Evelyn Jugelt, Bürgermeisterin der Stadt Augustusburg, April 2008
Vernetzung und Hilfestellungen zur Gründung eines Dorfladens
*Dorfladen-Netzwerk – Sicherung der Nahversorgung im ländlichen Raum
*Auswertung einer Befragung zu der Gründung eines Dorfladens
*Inhaltsverzeichnis Handbuch „Zum Erhalt und zur Sicherung der Nahversorgung im ländlichen Raum“ Ein Dorfladen „von Bürgern für Bürger“ – Eigeninitiative statt Unterversorgung“
*Beratungsexposé am Bsp. einer Existenzgründung (Nachbarschaftsladen)
*Interview mit Wolfgang Gröll, Unternehmensberater für Dorf-/Bürgerläden
*Beispielhafter Bericht über die Entstehung von Dorfläden im Rahmen der Förderprogramme von Rheinland-Pfalz und EU
*Übersicht: Wahl der Gesellschaftsform für eine Dorfladen-Bürgergesellschaft
*Atlas der Solidarischen Ökonomie in Nordhessen – Strategie für eine nachhaltige Zukunft Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst – Europäischer Sozialfonds Universität Kassel.
*Nachbarschaftsläden erfolgreich führen – lernen von den Besten
Artikel/Berichte über das Thema
*Zeit online: Dorfläden – Selbst ist der Kunde. Wenn Lebensmittelkonzerne ihre Filialen in Dörfern aufgeben, gründen Bürger zunehmend ihre eigenen Läden von Georg Etscheit 20.7.2010 – 07:41 Uhr; DIE ZEIT, 15.07.2010 Nr. 29
*FAZ: Die neuen Dorfläden- Tante Emmas kecke Töchter von Jan Grossarth, München, 28. November 2009
*Welt: Eigene Läden – Dorfbewohner nehmen es mit Supermärkten auf von Steffen Fründt, 24.01.10
*Spiegel: Comeback der Dorfläden – Provinz probt die Tante-Emma-Revolution; von Daniela Schröder, Gülzow, 03.11.2009
*Bürger berichten unter MyHeimat.de
*Das Land lebt: Mini-Märkte als Anlaufstellen und Tratschbörsen – Comeback der Krämerläden
*Seit 2000: Dorfladen ist Dorfmittelpunkt. Zehnjähriges Bestehen des Dorfladens in Mittergas
*zdf: Menschen & Projekte – Dorfläden kommen zurück. Wie sich Gemeinden selbst versorgen können von Maria Hörl, 28.03.2010
*In vielen Dörfern sorgen Bürger für Einkaufsmöglichkeiten – Tante Emma kehrt wieder zurück von Irini Paul, 11.2.2009
*Bei Tante Emma schlägt das Herz des Dorfes von Ursula Quickert, 22. Juli 2009
TV
ZDF-Reportage: Tante Emma schlägt zurück
Literatur zum Thema
Friedel, Rainer / Spindler, Edmund A. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume – Chancenverbesserung durch Innovation und Traditionspflege. Erscheint im Programm VS RESEARCH.2009.
Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund Hannover: Der Dorfladen: eine Chance für den ländlichen Raum. 1999
Staatsministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten Sachsen: Der Dorfladen: Einführung in die Problematik der Versorgung in ländlichen Räumen. 1997
Lühning, Günter: „Dorfladen-Handbuch – Sicherung der Nahversorgung im ländlichen Raum“ – www.dorfladen-netzwerk.de – 2008
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gGmbH; bearbeitet von Christian Kuhlicke, Ulrich Petschow, Henning Zorn: Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs im ländlichen Raum (Zusammenfassung und Fazit). Studie für den Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
Sonstiges
Dorfwiki: Das DorfWiki ist eine „Netzgemeinschaft“, in der verschiedenste Menschen einander begegnen, denen die dörfliche Lebensform im weitesten Sinn ein Anliegen ist. Dörfliche Lebensform heißt primär „ländlicher Raum“, aber kann und soll durchaus in weiterem Sinn interpretiert werden (Wiederentdeckung von Dörflichkeit auch in der Stadt)