Energiegenossenschaften
Energiegenossenschaften. Zwischen Pragmatismus und öko-sozialem Idealismus.
In Zeiten globaler Unsicherheiten und energie- sowie klimapolitischen Herausforderungen, stellt sich die unausweichliche Frage nach der Aufrechterhaltung des sozio-ökonomischen Gesellschaftsgefüges in Verbindung mit ökologischen Handlungsvorgaben.
Energiepolitisch wurde dieser Frage meist kaum Beachtung geschenkt, sondern größtenteils durch staatliche und privatwirtschaftliche Akteure einer strikt ökonomischen Zielsetzung untergeordnet. Durch diese Handlungsweise haben sich aber eine Vielzahl von Entwicklung ergeben, die den BürgerInnen gesellschaftliche Handlungsmöglichkeiten entzogen haben. (Vgl. Flieger 2009: 305)
Um sich aus dieser Situation zu befreien nutzen immer mehr Menschen die Möglichkeiten des liberalisierten Strommarktes, um sich eigenverantwortlich zu organisieren und eine Energieversorgung in Eigenregie zu initiieren.
In Energiegenossenschaften schließen sich Menschen zusammen, die sich nach den Prinzipien der solidarischen Ökonomie in solidarischer und demokratischer Weise organisieren. Ihr Ziel ist es eine identitätsbildende Handlungsstruktur zu schaffen, die sich die Aufgabe gegeben hat das Wohl ihrer Mitglieder zu fördern bzw. darüber hinaus positive gesellschaftliche und ökologische Effekte zu erzielen. Die jeweiligen Ziel können jedoch sehr unterschiedlich sein:
So kann der Antrieb zur Gründung einer Energiegenossenschaft aus klimapolitisch-ideellem Fokus geschehen oder, wie in vielen ländlichen Gebieten, zur Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der Versorgungssituation. Die Förderung der regionalen Wertschöpfung kann ausschlaggebend sein oder eine Gruppe von Menschen, welche die Geschicke ihrer Zukunftsgestaltung selbst in die Hand nehmen will. Dies ließe sich noch unendlich weiter führen.
Was jedoch all diesen Projekten gemein ist, sind die oben angesprochenen Prinzipien der Solidarischen Ökonomie, die in mehr oder weniger stark ausgeprägter Weise zum tragen kommen.
Der Grundsatz ist jedoch, dass die Genossenschaften potentiell allen BürgerInnen offen stehen und in Abgrenzung zu Energiegemeinschaften und Solarfonds nicht durch die jeweilige Einlagenhöhe bestimmt werden, sondern die Stimmgewichtung sich auf jedes Mitglied verteilt (Ein Mitglied, eine Stimme).
Zu unterscheiden ist bei Energiegenossenschaften zwischen Förder- und Produktivgenossenschaften.
Energieverbrauchergenossenschaften sind sogenannte Fördergenossenschaften.
Sie unterstützen die angeschlossenen Haushalte unter Wahrung, Erhaltung oder gar Stärkung ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit im Bereich der Energieversorgung.(Flieger 2011: 311)
Drei unterschiedliche Ansätze kann man bei den Energieverbrauchergenossenschaften unterscheiden:
Die traditionellen Strom- bzw. Elektrizitätsgenossenschaften (Traditionelle Versorgungsrolle),
die neuen Ökostromanbietergenossenschaften(Umweltpolitisch, -ethische Handlungsformen) und
die neuen genossenschaftlichen regionalen Energieanbieter (Preisgünstige Versorgung).
Ergänzend werden noch Nahwärmeliefergenossenschaften zu den regionalen Versorgern gezählt.
Zu den Fördergenossenschaften zählen ebenfalls die Sekundärgenossenschaften bzw. Dienstleistungsgenossenschaften:
- Einkaufs- und Beschaffungsgenossenschaften
- Beratungsgenossenschaften
- Auftragsbeschaffungs- und Vertriebskooperationen
- Genossenschaften zur Sicherung nachhaltiger Energieversorgung
Sie koordinieren den Einkauf von Strom und Rohstoffen, geben Beratungsdienstleistungen multiplizierend an die Mitglieder weiter und treten mit stärkerer Stimme gegenüber Verwaltung, Politik, Presse und Lieferanten auf.
Die sog. Energieproduktionsgenossenschaften gehören zu den Produktivgenossenschaften:
Mit der Genossenschaft steht den Initiatoren eine Rechtsform zur Verfügung, die es erlaubt, viele Projekte (Solaranlagen) im Rahmen einer Gesellschaft zu realisieren. Ziel ist es also, mehr als ein einzelnes Projekt umzusetzen. Das bei der Planung, Erstellung, Inbetriebnahme und Wartung der Anlage erworbene Know-how geht nicht verloren, sondern wird für weitere Aktivitäten im gleichen Unternehmen genutzt (Flieger 2011: 315).
Bürgerschaftlich-ökologischen Photovoltaikgenossenschaften (Umweltpolitischer Fokus)
- Solar-Bürger-Genossenschaft eG
- BürgerEnergie Stuttgart eG
Sozial-politischen Photovoltaikgenossenschaften (Entwicklungspolitische Ausrichtung)
- fair Pla.net eG
- Ökumenische Energiegenossenschaft Horb eG
Institutionell-organisatorischen Photovoltaikgenossenschaften (Genossenschaftlich-private Initiative)
- Friedrich-Wilhelm Raiffeisen Energie eG
- Erkelenzer Sonnenschein eG
Ende 2011 gab es in Deutschland knapp 600 Energiegenossenschaften (KNI 2012). In diesen organisieren sich über 130.000 BürgerInnen die bis jetzt rund 430 Millionen Euro investiert haben. Die genossenschaftlichen Investitionen belaufen sich auf rund 1,3 Milliarden Euro. Daraus ergibt sich eine produzierte Energiemenge von 580.000 MWh Strom, was einer Versorgungskapazität von 160.000 Haushalten entspricht (DGRV 2013).
Ein Anfang ist also gemacht um einer emanzipierten, gerechteren Zukunft ein paar Schritte näher zu kommen.
DGRV (2013): Energiegenossenschaften. Ergebnisse der Umfrage des DGRV und seiner Mitgliedsverbände. 2013.
Flieger (2011): Energiegenossenschaften. Eine klimaverantwortliche, bürgernahe Energiewirtschaft ist möglich. In: Elsen, Susanne (Hrsg.): Ökosoziale Transformation. Solidarische Ökonomie und die Gestaltung des Gemeinwesens Perspektiven und Ansätze von unten. AG SPAK Bücher, 2011.
KNI (2012): Genossenschaftliche Genossenschaftliche Unterstützungsstrukturen für eine sozialräumlich orientierte Energiewirtschaft.